1919-1949 Vorläufer der heutigen Finanzgerichtsbarkeit

 

Die Reichsabgabenordnung (RAO) von 1919 regelte ein sog. Berufungsverfahren gegen Steuerbescheide. Das Finanzamt hatte selbst über den Einspruch zu entscheiden. Dagegen war eine Berufung zu den Finanzgerichten, die zum damaligen Zeitpunkt jedoch noch gar nicht eingerichtet waren, gegeben. Ab April 1922 konnten die Finanzgerichte tätig werden. Allerdings handelte es sich dabei um eine Abteilung im Landesfinanzamt (vergleichbar mit der späteren Oberfinanzdirektion). Die Kammern waren mit 2 Beamten und 3 Laien besetzt. Die Vorsitzenden und ständigen Mitglieder des Gerichts wurden vom Reichsminister der Finanzen ernannt und unterstanden der Dienstaufsicht des Präsidenten der Landesfinanzamtes. In den Spruchsachen waren sie jedoch unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Gegen Entscheidungen des Finanzgerichts war die Beschwerde zum Reichsfinanzhof statthaft.


 

Wenige Tage vor dem 2. Weltkrieg wurden die Finanzgerichte durch Erlass über die Vereinfachung der Verwaltung vom 28. August 1939 aufgehoben und durch das in § 230 RAO 1931 geregelte Anfechtungsverfahren bei den Oberfinanzpräsidenten ersetzt. Dieser konnte die Beschwerde zum Reichsfinanzhof zulassen.


In Umsetzung des Gesetzes Nr. 36 des Alliierten Kontrollrates vom 15. Oktober 1946 ordnete die Militärregierung Deutschland durch die jeweiligen Kontrollgebiet die Wiedererrichtung der Finanzgerichte an. Das Finanzgericht Nürnberg wurde mit Gesetz vom 19.05.1948 errichtet und nahm im Juli 1948 seine Tätigkeit auf. Gegen Entscheidungen konnte der Verwaltungsgerichtshof und ab 1950 der Bundesfinanzhof angerufen werden.



1949 bis 1965 Uneinheitlicher Neubeginn

 

Die unterschiedlichen Umsetzungen im britischen und im französischen und amerikanischen Kontrollgebiet führten zu einer Rechtszersplitterung sowohl hinsichlich der Rechtsmittelverfahren als auch der unabhängigen Stellung der Finanzrichter. Die sinngemäße Anwendung zahlreicher Normen aus der Abgabenordnung führte zu erheblichen Verfahrensproblemen.



Die neue Ordnung


Erst mit dem Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 06.10.1965 am 1. Januar 1966 erhielten die Finanzgerichte eine Verfahrensordnung, die ihrer Stellung als unabhängiger, von den Verwaltungsbehörden getrennter, besonderer Verwaltungsgerichte ebenso gerecht wird wie der Eigenart des von ihnen zu gewährenden Rechtsschutzes.

 

1964 Dr. Fiedler Voigtländerstraße

 

1964 Regierungsoberinspektor Exner als Protokollführer

 

 

Standortwechsel

 

1948 war das Finanzgericht Nürnberg zunächst in einer kleinen Baracke im Hof der Oberfinanzdirektion in der Bucherstraße 30 in Nürnberg untergebracht. Es folgten Umzüge in die Schweppermannstraße 50 (1950), in ein Bürohaus in der Bayreutherstraße 8 II (1957) und in die Voigtländerstraße 7 (1964).

 

1970 begannen die Planungsarbeiten für einen Neubau, die 1975 zu einem Baubeginn in der Deutschherrnstraße 8 in Nürnberg führten. Die Schlüsselübergabe erfolgte am 09. Dezember 1977. Die Baukosten betrugen 5,4 Mio. DM.

 

16.06.1976: Richtfest in der Deutschherrnstraße

 


Entwicklungen


1948 waren 9 Richter in 4 Kammern zusammen mit 7 Mitarbeitern tätig. 1965 wurden 867 Verfahrenszugänge verzeichnet, die zur Bildung eines 5. (nunmehr) Senats führten. 1977 waren es bereits 1.865 Eingänge, die ab 1978 von 23 Richtern in 6 Senaten, unterstützt von 19 Mitarbeitern bearbeitet wurden. Bis 2002 erhöhten sich die jährlichen Eingänge auf ca. 2.500 Verfahren.

 

Die gerichtliche Arbeitsweise änderte sich in den ersten 50 Jahren kaum, auch wenn mit dem Einzug automatisierter Schreibautomaten eine gewisse Rationalisierung eintrat.


Erst Mitte der 90er Jahre stellte der EDV-affine Vizepräsident Dr. Spitzer die Verwaltung der Verfahren von Karteikarten auf ein Datenbankssystem um. Die Möglichkeit, Stammdaten für Standardschreiben zu verwenden, war ein großer Fortschritt.


Unter Präsident Lohrer entwickelte sich ab 2012 das zunehmend elektronische Arbeiten und der elektronische Rechtsverkehr. Präsident Naczinsky förderte moderne Arbeitsabläufe und formte das Finanzgericht Nürnberg zu einem Pioniergericht für elektronische Abläufe und Arbeit mit elektronischen Akten.


Bisherige Präsidenten


1948-1950     Winkler
1950-1951     Nunn
1952-1955     Dr. Effert
1955-1958     Dr. Lehmeyer
1958-1968     Gebhard Rueb
1968-1978     Hermann Wißmüller
1978-1990     Dr. Günther Schmidt
1990-1996     Lothar Iff
1996-1999     Widukind Fraas
1999-2004     Dr. Peter Glanegger
2004-2016     Josef Lohrer
2016-2021     Helmut Naczinsky